Auf dem Weg zum Hansi Flick des Eishockeys
ZSC-Coach Bayer kann einer der Grössten Europas werden

ZSC-Trainer Marco Bayer hat eine unglaubliche, viermonatige Reise hinter sich. Nun kann er sie mit dem Meistertitel krönen und sich auch noch einen Platz in der Ahnengalerie sichern.
Publiziert: 24.04.2025 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 24.04.2025 um 08:41 Uhr
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Marco Bayer fehlt noch ein Sieg – dann ist er Meister und Champions-League-Sieger.
Foto: freshfocus

Darum gehts

  • Marco Bayer könnte zum erfolgreichsten Trainer Europas aufsteigen
  • Vom Provinz-Coach zum möglichen Double-Gewinner in vier Monaten
  • Nur zwei Trainer haben bisher das Double aus nationalem und Champions-League-Titel gewonnen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Marcel AllemannReporter Eishockey

Am 28. Dezember 2024 war Marco Bayer (52) in der frostigen Kunsteisbahn in Küsnacht ZH. 265 Zuschauer sahen dabei zu, wie er als Trainer des ZSC-Farmteams GCK Lions eine 2:5-Niederlage gegen Sierre kassierte. Etwas überspitzt formuliert: Damals interessierte es niemanden, was Bayer tut, wie er denkt, was er sagt. 

Am 22. April 2025 jubeln Tausende von Zuschauerinnen und Zuschauern dem Dübendorfer im Tollhaus Swiss Life Arena zu. Bayer hat die ZSC Lions gerade zum 3:1-Sieg gegen Lausanne und zur 3:1-Führung in der Finalserie gecoacht. Was er tut, wie er denkt, was er sagt, interessiert jeden. Nach dem Spiel werden ihm von Journalisten zahlreiche Mikrofone, Kameras und Aufnahmegeräte entgegengestreckt.

Vom Provinz-Coach zum erfolgreichsten Trainer Europas?

Eine Person, zwei unterschiedliche Welten. Und mittendrin steht Marco Bayer, der sein eigenes Märchen schreibt. Noch ein Sieg fehlt zum Meistertitel. Dann ist der ehemalige Verteidiger doch tatsächlich innert vier Monaten vom Provinz-Coach zum aktuell erfolgreichsten Trainer Europas aufgestiegen. Dann hat er in Windeseile geschafft, was selbst Arno Del Curto (68), Kari Jalonen (65), Dan Tangnes (46) – und wie all die grossen Erfolgscoaches der letzten Jahre in dieser Liga heissen – verwehrt blieb. Dann kann er sich Double-Gewinner nennen, weil er im selben Jahr die nationale Meisterschaft und die Champions League gewonnen hat. 

Und steht plötzlich ganz oben in Europa. Dieses Double haben erst zwei geholt. Der aktuelle SCB-Trainer Jussi Tapola (50) mit Tappara Tampere 2023 und der zukünftige Fribourg-Trainer Roger Rönnberg (53) mit Frölunda Göteborg 2016 und 2019. Rönnberg, dem Gottéron den roten Teppich ausgerollt und ein Jahr auf ihn gewartet hat, um ihn zu bekommen. Während Marco Bayer noch nicht mal einen ZSC-Vertrag für die nächste Saison besitzt.

Eine Biografie wie Hansi Flick bei den Bayern

Wenn wir über das Eishockey hinausschauen, zum Krösus Fussball, dann landen wird bei noch grösseren Namen, die dieses prestigeträchtige Double gewinnen konnten. Bei Carlo Ancelotti (65) beispielsweise, dem dieses Kunststück 2022 und 2024 mit Real Madrid gelang. Bei Pep Guardiola (54), der Barcelona 2009 und 2011 sowie Manchester City 2023 zu diesem Triumph führte. Oder bei Hansi Flick (60), dem Gleiches 2020 mit Bayern München gelang.

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Die Geschichte von Hansi Flick passt zu jener von Marco Bayer. Ähnlich wie sein Schweizer Hockey-Berufskollege stand der Deutsche jahrelang im Schatten anderer, ist dann im November 2019 während der Saison als Nothelfer reingerutscht und reich dekoriert worden. Aktuell ist Flick mit Erfolg beim FC Barcelona tätig. Rechnet man dies auf das Eishockey und Bayer hoch, dann wäre dieser 2030 Headcoach bei einer Topadresse in der NHL.

Der Weg war steinig, es gab viele Umwege

So weit wird es vermutlich nicht kommen. Aber der Werdegang der letzten Monate von Bayer ist auf jeden Fall ein Mutmacher für alle Schweizer Eishockey-Trainer. Schon als er 2009 bei den SCL Tigers als Assistenztrainer von Christian Weber (61) einstieg, war es sein grosses Ziel, eines Tages Headcoach in der National League zu sein. Es wurde zu einem steinigen Weg mit vielen Umwegen, etwa zu den Junioren von Kloten (2011 bis 2015) und Bern (2015 bis 2017) oder ins Sportchef-Amt in Langnau (2018 bis 2020). Doch Bayer hat nie aufgegeben, blieb stets dran, hat seinen Rucksack überall gefüllt und geduldig auf seine Chance gewartet.

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Am 30. Dezember 2024 ist er für seine Beharrlichkeit belohnt worden. Zwei Tage nach besagter 2:5-Niederlage mit den GCK Lions gegen Sierre wurde er von den ZSC Lions bis Ende Saison zum Nachfolger des aus gesundheitlichen Gründen abgetretenen Marc Crawford ernannt. Bayers verrückte Reise begann. Der Gewinn der Champions League im Februar war ein erster Meilenstein, und nun coacht er den ZSC souverän durch die Playoffs. Gelassen, ruhig, mit viel Genuss und oft einem Lächeln im Gesicht, aber auch sehr aktiv und mutig. Zur Vollendung fehlt nur noch ein einziger Sieg. 

Bayer weiss nicht, was da abgeht

Über das Märchen, das er in den letzten Monaten, Wochen und Tagen durchlebt hat, sagt Bayer: «Es ist ein schöner Moment, ganz klar. Aber es ist mir noch immer nicht bewusst, was da genau abgeht. Ich versuche, mich in den Dienst der Mannschaft, des ZSC und der gesamten Organisation zu stellen. Da ist man so im Flow und im Tunnel und versucht, die Mannschaft immer wieder aufs Neue vorzubereiten. Alles andere wird dann später mal kommen.»

Es dürfte dann nur noch eine Vollzugsmeldung sein, dass Bayer auch nächste Saison ZSC-Trainer sein wird. Denn bis jetzt besitzt er lediglich einen Vertrag bis 2027 bei den GCK Lions. Doch wenn einer der erfolgreichsten Trainer Europas nächste Saison tatsächlich in der Swiss League vor 265 Zuschauern coachen würde, wäre das ein Hohn.

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